Was muss ich über die Vollfinanzierung wissen?


Als Vollfinanzierung wird eine Baufinanzierung bezeichnet, die komplett ohne Eigenkapital getätigt wird. Hierbei übernimmt die Bank durch Vergabe eines Kredits die Finanzierung des kompletten Kaufpreises inklusive aller Nebenkosten (wie z.B. der Notar und der Grundbucheintrag). Dieses Finanzierungsmodell wird zwar von einigen Banken angeboten, jedoch wird nicht jeder Kreditnehmer eine entsprechende Finanzierung von der Bank erhalten. Im nachfolgenden Artikel möchten wir Ihnen die Vollfinanzierung näher erläutern und Ihnen erklären worauf Sie achten müssen.


Was ist eine Vollfinanzierung und welche Vorteile bietet diese?

Wie bereits eingangs erwähnt umfasst eine Vollfinanzierung nicht nur den Kaufpreis der Immobilie, sondern auch sämtliche Nebenkosten, die beim Kauf oder Bau einer Immobilie entstehen. Darunter fallen folgende Kostenpunkte:

Die Vollfinanzierung einer Immobilie haben folgende Pros und Contras:

Vorteile bei der Baufinanzierung ohne Eigenkapital
Nachteile bei der Baufinanzierung ohne Eigenkapital
Banken verlangen bei dieser Finanzierungsart zwar hohe Tilgungsraten, die mindestens bei 2 bis 3 Prozent liegen, aber das bedeutet auch, dass Sie frühere Schuldenfreiheit erlangen. Mit einer hohen Anfangstilgung sorgen Sie für eine niedrigere Belastung in der Zukunft, z.B. im Rentenalter.

Banken verlangen bei dieser Finanzierungsart hohe Tilgungsraten, die mindestens bei 2 bis 3 Prozent liegen. Bei einem hohen Darlehen fällt also auch die monatliche Belastung hoch aus. 

In Niedrigzinsphasen kann es sich lohnen eine Vollfinanzierung zu tätigen statt zuerst Eigenkapital anzusparen. Steigt der Zins an, kann sich eine Finanzierung mit Eigenkapital als unattraktiv erweisen, da das angesparte Kapital durch den Zinsanstieg gemindert werden kann.Bei einem direkten Vergleich sind die Konditionen für eine Vollfinanzierung teurer als bei Finanzierungen mit Eigenkapital. Der Unterschied beim Zinssatz beträgt mindestens 0,3%. Auch kann noch ein variabler Risikoaufschlag für die Erwerbsnebenkosten hinzukommen.
Durch die Vollfinanzierung können auch junge Familien oder Alleinstehende ohne Eigenkapital früh ein Eigenheim erwerben. Die Vollfinanzierung wird nur von wenigen Banken angeboten, was wiederum die Auswahl des Finanzpartners einschränkt.
Da die Vollfinanzierung nur von wenigen Banken angeboten wird, haben diese auch zahlreiche Erfahrungen damit. Diese können die Risiken dieser Finanzierungsvariante genau überblicken, kritische Konstellationen erkennen und Detailfragen umfassend beantworten.


Beispiel
Das folgende Rechenbeispiel soll Ihnen zeigen, wann eine Finanzierung ohne Eigenkapital tatsächlich Sinn ergibt. Gehen wir dabei vom Kauf einer Eigentumswohnung für den Preis von 150.000 € aus. Das Zinsniveau ist zu Beginn noch sehr niedrig und steigt im späteren Verlauf an.


Vollfinanzierung ohne Eigenkapital, Kreditaufnahme 2020, fiktiver Zinssatz ink. RisikoaufschlagFinanzierung mit Eigenkapital, aufgrund der Ansparphase für das Eigenkapital auf 2027 verschoben, fiktiver höherer Zinssatz
Kredit150.000 €135.000 €
Eigenkapital
0€15.000 €
Effektivzinssatz, bei 10 Jahre Zinsbindung2,8 %5,0 %
Monatsrate gerundet717 €717 €
Restschuld gerundet98.298 €108.760 €


Bei einer Aufnahme des Kredits im Jahre 2020 ergibt sich nach Ablauf der Zinsbindungsfrist ein Restbetrag von 98.298 €. Das im Jahre 2027 aufgenommene Darlehen wird mit einer höheren Zinsen belegt, die den Vorteil des angesparten Eigenkapitals zunichte machen. Nach Ablauf der Zinsbindungsfrist beträgt die Restschuld 108.760 €, also 10.462 € höher als bei der Vollfinanzierung. Aus diesem Grund ist die Vollfinanzierung in unserem Beispiel die wirtschaftlich bessere Variante.

Wieso werden von den Banken bei der Vollfinanzierung Zinsaufschläge durchgeführt?

Das Risiko bei Vergabe eines Kredits zur Vollfinanzierung einer Immobilie ist der ausschlaggebende Grund für den Aufschlag. Wenn die Darlehenssumme mehr als 80 % des Kauf- oder Baupreises ausmachen, dann werden von den Banken bereits Zinsaufschläge berechnet. Wenn die Kaufnebenkosten (110%-Finanzierung) über den Kredit finanziert werden sollen, dann kommt ein erheblicher Risikoaufschlag hinzu, der sich nach den wirtschaftlichen Verhältnissen, dem Wert der Immobilie und nach anderen persönlichen Rahmenbedingungen richtet.

Der Aufschlag ist auch ganz einfach zu erklären. Wenn die Bank neben dem Kaufpreis auch noch die Kaufnebenkosten finanziert, dann übersteigt die Kreditsumme den eigentlichen Wert der Immobilie. Das bedeutet, dass das Risiko bei einer Zwangsversteigerung auf den Kosten sitzen zu bleiben, für die Bank wesentlich höher ist, da den Kaufnebenkosten kein Wert zugerechnet werden kann. Der Aufschlag soll die Bank vor der zu erwartenden Differenz zwischen Versteigerungserlös und Restschuld des Darlehens schützen.


Wer kann eine Vollfinanzierung von der Bank erhalten?

Bei der Vergabe eines Kredits zur Vollfinanzierung werden von den Banken strenge Kriterien beachtet, die sich häufig nach der "40 %-Regel" richten. Diese besagt, dass ein Kreditnehmer nur dann in Frage kommen kann, wenn die monatliche Rückzahlungsrate nicht mehr als 40 % des monatlichen Einkommens beträgt. Kreditraten aus anderen Krediten (z.B. für ein Auto, Motorrad, Möbel, Urlaub oder andere Konsumgüter) werden auf diese Rate angerechnet. Die Rate für alle Kredite sollte also nicht mehr als 40 % des monatlichen Einkommens betragen. Das bedeutet, dass Sie für eine Vollfinanzierung ein vergleichsweise hohes Einkommen benötigen.

Beispiel
Ein Haus mit einem Wert von ca. 200.000 € soll vollständig über einen Kredit finanziert werden. Der Zinssatz beträgt 3 % und die anfängliche Tilgung 3,5 %. Daraus ergibt sich eine monatliche Rate von 1.083 €. Das monatliche Einkommen muss also mindestens bei 2.707 € betragen.

In Verbindung mit der 40 %-Regel verlangen die Banken einen hohen Tilgungssatz vom Darlehensnehmer. Dahinter steckt die Absicht, dass die Bank vorzugsweise Kunden mit einem hohen, stabilen Einkommen mit einer Vollfinanzierung ausstatten möchten. Für die Vollfinanzierung sollten Sie also Konsumschulden bzw. die Kreditaufnahme im Vorfeld vermeiden und über ein hohes monatliches Einkommen verfügen. Die dadurch bessere Bonität erhöht die Chance eine entsprechende Finanzierung von der Bank zu erhalten. 

Des Weiteren werden die Banken eine Abfrage Ihrer Daten bei der SCHUFA (Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung) durchführen, weswegen Sie negative Einträge unbedingt vermeiden sollten. Sollten Sie über einen guten Scorewert verfügen, wirkt sich das auf jeden Fall positiv auf den Vollfinanzierungskredit aus. Neben diesem Wert werden aber auch noch weitere Daten aus der SCHUFA-Abfrage geprüft. Hierbei ist es jeder Bank selbst vorbehalten, welche Maßstäbe angewandt und nach welchen Regeln die Informationen aus dem Register bewertet werden.


Spielen Lage und Ausstattung der Immobilie bei einer Vollfinanzierung eine Rolle?

Die Lage einer Immobilie spielt eine besonders große Rolle bei der Vollfinanzierung. Für die Bank stellt die Immobilie die wichtigste Sicherheit bei diesem Geschäft dar, weswegen Sie bei einer Immobilie mit einer guten Lage deutlich bessere Chancen haben eine Vollfinanzierung zu bekommen als bei einer Immobilien mit schlechter Lage. Durch die bessere Lage hätte die Bank bei einer Zwangsversteigerung (ZVG) deutlich bessere Möglichkeiten die Immobilie zu verkaufen, was sich auf die Vergabe des Kredits auswirkt.

Aber auch die Ausstattung ist nicht zu vernachlässigen. Eine einfach ausgestattete Wohnung in guter Lage erzeugt am Markt weniger Nachfrage als eine komfortabel ausgestattete Wohnung in gleicher Lage. Viele Banken sehen dies auch als guten Grund eine Vollfinanzierung zu gewähren.


Welche Banken kommen für eine Vollfinanzierung in Frage?

Da die Banken ihre Angebotsportfolio jederzeit ändern und anpassen können, gibt es keine pauschale Aussage, welche Bank für eine Immobilien-Vollfinanzierung in Frage kommt. Am besten Sie verwenden einen Baukreditrechner, der die Option "Vollfinanzierung" zulässt, um eine für Sie passende Bank zu finden. Geben Sie dort alle Daten ein und suchen Sie in der Übersicht dann nach Banken, die eine Vollfinanzierung anbieten. Fragen Sie alternativ bei Ihrer Hausbank nach, da diese meist Ihre finanziellen Verhältnisse kennt und die Stabilität Ihres Einkommens gut einschätzen kann. Auch hat die Hausbank einen Überblick über die gemeinsame Historie:

  • Wurden etwaige Kredite in der Vergangheit zuverlässig und pünktlich bedient?
  • Wird das Konto des Kunden oft überzogen oder steht stets ausreichend Geld zur Verfügung?
  • Welchen Lebenstil pflegt der Kunde? Welche Ausgaben tätigt er?

Über die Kontobewegungen kann die Hausbank bereits einige dieser Fragen beantworten, was sich auf die Risikobewertung für die Vollfinanzierung auswirkt.


Zusammenfassung & Tipps

Die nachfolgende Liste soll Ihnen nochmal eine Zusammenfassung über die obigen Fragen geben und Ihnen Tipps für die Vollfinanzierung geben:

  • Sorgen Sie bereits im Vorfeld dafür, dass Sie schuldenfrei sind und keine zusätzlichen Kredite abbezahlen müssen.
  • Wenn Sie weitere Kredite bedienen müssen, dann erreichen Sie die Belastungsquote in Bezug auf das Nettoeinkommen. Die bestehenden Kredite dürfen zusammen mit dem neuen Kredit die Grenze von 40 % nicht übersteigen.
  • Prüfen Sie vorab Ihre SCHUFA-Einträge und lassen Sie mögliche Fehler korrigieren. Ergänzen Sie dabei auch noch offenstehende Informationen, damit die Bank die Entscheidung auf Basis von vollumfassenden und werthaltigen Informationen treffen kann
  • Stellen Sie der Bank alle gewünschten Informationen sowie Auskünfte zur Verfügung und zeigen Sie volle Transparenz bei der Antragsstellung.
  • Grundsätzlich wollen alle Banken immer ein Geschäft machen und verdienen bei einer Vollfinanzierung gut. Informieren Sie sich als Kreditnehmer über die Begrifflichkeiten und die Funktionsweise einer Baufinanzierung, um bei der Bank einen seriösen und zuverlässigen Eindruck zu hinterlassen. Dies signalisiert dem Kreditsachbearbeiter, dass Sie die Tragweite der Vollfinanzierung überblicken und wissen was Sie tun.
  • Die Kaufnebenkosten sollten, sofern möglich, vom Kreditnehmer selbst finanziert werden. Dies hilft Ihnen bei den Zinsen zu sparen, da der Risikoaufschlag nicht mehr nötig ist. Auch sinkt dadurch die Kredithöhe, was sich auf die monatliche Belastung auswirkt und Ihnen mehr Geld zur Verfügung steht.

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